Der FC Bayern München ist ein Fußballverein mit einem der besten Teams der Welt. In der laufenden Bundesligasaison siegen sie sich wieder von Spiel zu Spiel, erreichten mit 46 Punkten souverän die Herbstmeisterschaft, sieben Punkte Vorsprung auf den Hauptrivalen der letzten Jahre, Borussia Dortmund, und nur einer Niederlage in 17 Punktspielen. In der ewigen Bundesligatabelle deklassieren sie mit knapp 30 Prozent Vorsprung der gesammelten Punkte die Restvereine. In den zwanzig Spielzeiten ab der Saison 1995/96 wurde der Verein zwölf Mal Deutscher Meister.
Allenfalls die Rolle des Verfolgers verspricht Spannung, wenn überhaupt. Der Hauptrivale der letzten beiden Jahrzehnte mit vier Meister-Titeln, Borussia Dortmund, strauchelte zwar in der vergangenen Spielsaison, ist aber jetzt wieder machtvoll zurück. Nach dem Ausrutscher des FC Bayern München zuhause gegen Mainz 05 hatte er in der ersten Märzwoche die Chance, auf zwei Punkte an den bayerischen Spitzenreiter heranzurücken. Die Partie endete allerdings 0:0 Unentschieden, sodass die Titelspannung nach drei Tagen wieder vorbei war.
Die Dominanz weniger Vereine in der Fußball-Liga ist kein deutsches Phänomen. So haben in Spanien in der Regel der FC Barcelona und Real Madrid und sogar in der breit aufgestellten englischen Premier League oft Manchester United, Arsenal und Chelsea die Nase vorn. Kein Verein hat aber national eine solche Sonderstellung wie der FC Bayern München.
Ist das ein Luxusproblem? Schließlich spielt der Verein glänzenden, immer besseren Fußball. Sein Team ist regional verwurzelt (mia san mia) und dennoch multi-ethnisch aufgestellt. Seine Leistungsträger sind Erfolgsgaranten im internationalen Wettbewerb (Champions League) und bilden das Rückgrat der Deutschen Nationalelf, die so Weltmeister werden konnten. Ein Vorzeigeverein eben, für Sport, Gesellschaft und Wirtschaft.
Aber die Gefahr heißt erstens drohende Langeweile und zweitens schwindende Wettbewerbsfähigkeit. Über die strukturellen Hintergründe und mögliche Lösungsansätze hatte ich kürzlich in diversen Medien geschrieben, u.a. in den Dresdner Neueste Nachrichten und in der Leipziger Volkszeitung.
Die Attraktivität des Fußballs kann leiden, wenn der Sieger immer schon vorher feststeht. In der Sportökonomie kennt man das als Louis-Schmeling-Paradoxon. Erst der überraschende Sieg des deutschen Boxers Max Schmeling gegen Joe Louis im Jahre 1936 machte Boxen wieder spannend und wirtschaftlich erfolgreich. Zuvor hatte Louis seine Gegner reihenweise frühzeitig mit K.O. besiegt.
Die strukturellen Fragen bleiben. Hier ist deshalb der komplette Artikel aus den Dresdner Neueste Nachrichten vom 19. 2. 2016 :
Gastbeitrag von Klaus Zimmermann Die Liga der Langeweile
Wirkliche Überraschungen sind rar in der Fußball-Bundesliga. Denn am Ende entscheidet die Vereinskasse über Tabellenplatz und Meistertitel. Solange keine fairen Wettbewerbsbedingungen herrschen, bleibt der FC Bayern auf Sieg abonniert – was zum Schaden des gesamten deutschen Fußballs ist.
Auf die Meisterschaft abonniert: Der FC Bayern München spielt zwar schönen Fußball, seine Dominanz schadet aber der Attraktivität der Bundesliga.
Noch stehen 13 Spieltage in der Fußball-Bundesliga an. Doch die spannendste Frage, nämlich die, wer deutscher Meister wird, scheint bereits Ende Februar entschieden. Die Antwort lautet: der FC Bayern München. Mal wieder.
Wirklich überraschend kommt das nicht. Der FC Bayern hat eine der teuersten Mannschaften der Welt. Und Geld schießt auf lange Sicht eben doch Tore. In der laufenden Saison hat der Klub 56 von 63 möglichen Punkten geholt und nur ein einziges Ligaspiel verloren. Der Vorsprung auf den Tabellenzweiten Borussia Dortmund beträgt schon acht Punkte. Langeweile ist programmiert. Spannung verspricht allenfalls noch der Kampf um den ersten Platz hinter den Bayern.
Die Dominanz weniger Vereine in der nationalen Liga ist gewiss kein deutsches Phänomen. In Spanien etwa geht der Titel in der Regel an den FC Barcelona oder an Real Madrid. Doch kein europäischer Verein hat in seinem Land eine derartige Sonderstellung wie der FC Bayern. Nur zur Erinnerung: In den vergangenen 20 Jahren wurde der Klub zwölfmal deutscher Meister!
Der Sieger steht schon fest
Ist das ein Luxusproblem? Schließlich spielt der Verein attraktiven Fußball und wird dabei noch immer besser. Die Mannschaft ist regional verwurzelt (“Mia san mia”) und dennoch multiethnisch aufgestellt. Die Leistungsträger bilden zudem das Rückgrat der deutschen Nationalmannschaft, die so im Sommer 2014 Weltmeister werden konnte. Der FC Bayern ist ein Vorzeigeverein für Sport, Gesellschaft und Wirtschaft.
Also alles gut? Mitnichten! Denn mit der drohenden Langeweile ist auch eine schwindende Wettbewerbsfähigkeit der Bundesligisten – inklusive Bayern München – verbunden.
Die Attraktivität des deutschen Fußballs leidet, wenn der Sieger immer schon vorher feststeht.
In der Sportökonomie wird dies als Louis-Schmeling-Paradoxon bezeichnet. Erst der überraschende Sieg des deutschen Boxers Max Schmeling gegen Weltmeister Joe Louis im Jahr 1936 machte Boxen wieder spannend und wirtschaftlich erfolgreich. Zuvor hatte Louis seine Gegner reihenweise frühzeitig durch K. o. besiegt – was irgendwann keiner mehr sehen wollte.
Vorbild Premier League
Natürlich bleiben wahre Fußballfans auch ihren erfolglosen Vereinen treu. Und Bayern-Anhänger erfreut jeder überlegene Sieg. Aber auf Dauer kann sich die Gesamtattraktivität der Liga nicht entwickeln, wenn die Bayern weiter dominieren. Nicht ohne Grund verfügt die Premier League derzeit über die größten wirtschaftlichen Mittel, die besten Spieler und die charismatischsten Trainer: Hier arbeiten viele Klubs, auch dank Investoren, wirtschaftlich auf Augenhöhe, das Rennen um die Meisterschaft ist völlig offen.
Verbunden mit einer ausgeprägten Fankultur ist so das aktuell beste Fußballprodukt der Welt entstanden. Dass Trainer Pep Guardiola den FC Bayern zum Saisonende verlässt und in die englische Liga strebt, um seine erfolgreiche Karriere dort fortzusetzen, ist nur logisch. In England trifft er auf die spannendste Herausforderung des Vereinsfußballs.
Womit wir beim Kern des deutschen Problems sind: Die Dominanz des FC Bayern schadet langfristig der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Vereine. Der Branchenführer aus München ist auf dem Weg, so stark und überlegen zu werden, dass er alle anderen Konkurrenten sportlich und wirtschaftlich an den Rand drängt. Wenn aber die besten Spieler und das meiste Geld bei einem Verein landen – was bleibt dann für den Rest?
Gleichmacherei ist keine Lösung
Konkurrenz belebt das Geschäft, das ist ein bekanntes marktwirtschaftliches Prinzip. Dafür haben wir in der allgemeinen Wirtschaft die Kartellbehörde, die Regeln für eine Konkurrenz zu fairen und ausgewogenen Bedingungen aufstellt. Im Fußball gibt es eine solche Kartellbehörde nicht. Was könnte man also tun, um die langfristige Attraktivität der Bundesliga zu stärken?
Die Lösung liegt nicht in einem aussichtslosen Kampf gegen die Kommerzialisierung des Sports oder in einer falsch verstandenen Gleichmacherei. Schließlich ist der FC Bayern ein exzellent geführter Verein, der im weltweiten Konkurrenzkampf steht. Wir können uns hier nicht der Globalisierung entziehen.
Das Hauptproblem in Deutschland ist auch nicht die Verteilung der TV-Einnahmen. Sie ist breit angelegt und weit fairer als etwa in Spanien oder Italien, wo ein Großteil der TV-Erlöse an wenige Topklubs geht. Das Problem ist das Preisniveau, das weit hinter dem der Premier League zurückbleibt. Bereits in der vergangenen Saison kassierte ein Absteiger in England (Cardiff City, 76 Millionen Euro) erheblich mehr Geld aus der nationalen TV-Vermarktung als der deutsche Meister (Bayern München, 37 Millionen Euro).
Fairness per Gehaltsdeckelung
Durch den neuen Fernsehvertrag erzielt die Premier League vom kommenden Sommer an etwa 3 Milliarden Euro pro Jahr, die Bundesliga kommt nur auf etwa 850 Millionen Euro pro Jahr. Das oberste Ziel der Bundesliga muss also lauten, die Attraktivität zu steigern. Aber wie?
Im weltweiten Sportbusiness gibt es Modelle, über die es sich durchaus nachzudenken lohnt, beispielsweise aus den USA. Das wichtigste Instrument für mehr Fairness in den nordamerikanischen Basketball-, Eishockey- und American-Football-Ligen ist die Gehaltsdeckelung (“Salary Cap”). Dabei dürfen die Teams eine zuvor festgelegte Gesamtsumme für die Gehälter ihrer Mannschaft nicht überschreiten.
Einzelne Topstars können also durchaus deutlich mehr verdienen, wenn ein Ausgleich bei anderen Spielern erfolgt. Da dieser Deckel meist so hoch angesetzt ist, dass ihn die ärmeren Klubs gar nicht erreichen können, beschränkt er die reichen Klubs nicht allzu sehr, wirkt sich aber positiv auf den Wettbewerb aus. Seriensieger gibt es im US-Sport praktisch nicht.
Vorteil durch Nachwuchstalente
Allerdings wäre eine nationale Gehaltsobergrenze in der Bundesliga kontraproduktiv. Anders als in den USA, wo die Klubs in geschlossenen Ligen spielen, stehen die deutschen Fußballvereine in einem massiven europäischen Wettbewerb. Zahlreiche Spieler würden abwandern, weil sie in anderen Ländern mehr Geld verdienen könnten. Eine Gehaltsobergrenze müsste also europaweit eingeführt werden, von der Europäischen Fußball-Union (Uefa).
Ein weiteres Element für mehr Spannung wäre ein fairer Zugriff auf den besten Nachwuchs. In den US-amerikanischen Sportligen rekrutieren Klubs neue Spieler durch einen ausgeklügelten Auswahlprozess (“Draft”). Dabei dürfen die leistungsschwächsten Mannschaften der abgelaufenen Saison als Erste den Talentpool der besten Nachwuchsspieler ausschöpfen.
Ein solches System könnte auch in der Bundesliga stimulierend auf den Wettbewerb wirken – und aktuelle Abstiegskandidaten wie Werder Bremen, Hannover 96 und den VfB Stuttgart mittel- oder langfristig wieder zu Topteams werden lassen.