Dass eine führende Wirtschaftszeitung wie die „Financial Times Deutschland“ eingestellt wird, ist bedauerlich. Ich habe sie regelmässig gelesen und über die Jahre auch häufig dort Standpunktartikel publiziert, s. unten. Gleichwohl ist damit der freie Wettbewerb der Presse nicht gefährdet, auch wenn das „Handelsblatt“ dadurch in eine stärkere Position kommt.
Die „FTD“ wollte, musste anders sein, um sich zu profilieren. Das war ihr in vielfacher Weise gelungen. Ob die konsequent postkeynesianische Position seiner makropolitischen Redaktion dabei geholfen hat, mag dahinstehen. Erfrischend, manchmal erheiternd war sie allemal.
Was mir nicht fehlen wird, ist die geübte Vermischung von Kommentar und Sachbericht, die vielen kleinen überheblichen Giftspritzen, die den Text wohl würzig und authentisch machen sollten. Das war sehr häufig böswillig, unwahr und gelegentlich auch frei erfunden.
Ein Beispiel aus eigener Anschauung: Bei der Tagung des Vereins für Socialpolitik im September 2012 kamen meine Frau und ich zu einer der großen Plenumssitzungen leicht zu spät und trafen auf ein voll besetztes Plenum, in dem der Vortrag bereits begonnen hatte. Wegen der besten Sicht setzten wir uns auf freie Plätze in der Mitte des Hörsaals mit direktem Blick auf das Vorlesungspodium.
Erstaunt konnten wir dann in der FTD – Berichterstattung über den Kongress lesen:
„Eine Marotte aus der Studentenzeit haben selbst arrivierte Ökonomen nicht abgelegt: In der Vorlesung sitzen sie am liebsten hinten. So auch Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung: Beim Vortrag seiner Kollegin Katharina Spieß auf der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik (VfS) setzt er sich nicht etwa auf einen der vielen freien Sitze weiter vorn, sondern drängelt sich lieber zwischen andere Kollegen auf einen der letzten verbliebenen Plätze in den hinteren Reihen.“
Da klang witzig und kompetent. Dass es falsch war, störte die Autoren wenig. Und dem Leser war es ja egal, er wusste es nicht und fühlte sich gut unterhalten. Hunderte (und meine Frau) hatten das Gegenteil gesehen. Auch meine Studiengewohnheiten kannten die Autoren natürlich nicht. Sonst hätten sie gewusst, dass in den wenigen Vorlesungen, in denen ich während meines Studiums saß, ich eher die vorderen Reihen bevorzugte. Und ich überhaupt meistens in kleinen Seminaren mit wenigen Studenten zu finden war.
Den eher witzigen Einstieg in ihren Artikel habe ich diesen Autoren verziehen. Bei anderen Gelegenheiten war diese Vermischung aus Kommentar und Berichterstattung in der FTD weniger profan, würdigte die Personen herab und verbreitete falsche Informationen zu wichtigen Punkten.
Man kann sagen, der manchmal flappsige Stil der „FTD“ war ein Weg, sich gegen die Internet-Konkurrenz zu profilieren, wo man ungestraft alles findet, falsche Behauptungen und persönlichste Diffamierungen. Nur, diesen Wettbewerb kann kein seriöses Medium für sich gewinnen.
Meine Beiträge in der „FTD“, u.a. in Auswahl:
“Jobs entstehen nicht durch Konferenzbeschlüsse“, 26. 6. 2012
“Die Türken als Vorbild nehmen“, 27. Februar 2012
“Her mit dem EU-Kassenwart“, 18. August 2011
“Lasst Tunesien nicht im Stich“, 26. Mai 2011
“Macht hoch die Tür“, 25. August 2010
“Frauen in Vollzeitjobs: Weiblicher wachsen“, 17. Juni 2010
“Flexibler, offener, bescheidener. Die deutschen Gewerkschaften müssen ihre Rolle neu definieren“, 15. Juli 2003