Die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute sind zwischen 2000 und 2009 wissenschaftlich erheblich leistungsfähiger geworden. Eine neue Studie
A Citation-Analysis of Economic Research Institutes
(IZA Discussion Paper 6780, erscheint in: Scientometrics, 2012, von Rolf Ketzler und Klaus F. Zimmermann)
stellt eine massive Verbesserung der Forschungsintensität bei den Instituten fest und analysiert ihre Potenziale. Während im Jahre 2000 in allen Instituten praktisch nichts publiziert wurde, hat sich dies über ein Jahrzehnt erheblich verändert. Es kam auch zu einem grossen Anstieg der Zitate in den Fachzeitschriften, dem wichtigsten Indikator für Forschungsqualität, und die Studie zeigt auch das hohe wissenschaftliche Potenzial der Publikationen aus dieser Dekade für die Zukunft. Das ist ein grosser Erfolg für den Auftrag des Wissenschaftsrats und der Leibniz-Gemeinschaft an die Forschungsinstitute, ihre Forschungsintensität auszuweiten.
Nach diversen Kriterien kann man die Institute dann auch ranken – mit unterschiedlichen Ergebnissen, abhängig davon, an was man als Betrachter interessiert ist.
An der Studie habe ich mitgearbeitet. Ich war über mehr als ein Jahrzehnt Präsident des DIW Berlin gewesen, dabei lange Jahre bis zuletzt auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute (ARGE); Dr. Rolf Ketzler war über lange Jahre mein Vorstandsassistent. Als IZA – Direktor gehört die Bewertung von Forschung zu einem meiner Forschungsschwerpunkte, zu dem ich regelmässig in Fachzeitschriften publiziere.
Das DIW hat in dieser Studie unterschiedliche Bewertungen gefunden, manchmal vorne, manchmal weiter hinten. Es kommt dabei darauf an, was man als Kriterien für richtig hält, und die Studie gibt dem Leser verschiedene Blickwinkel an die Hand.
Erfreulicherweise hat Olaf Storbeck am 3. September 2012 (S. 17) im „Handelsblatt“ eine Besprechung publiziert. (Wissenswert: Der Wettbewerb unter den Wirtschaftsforschungsinstituten hat deutlich zugenommen. Eine Studie legt erhebliche Qualitätsunterschiede offen.)
Der Artikel konzentriert sich allerdings auf eine Tabelle in der deskriptiven Statistik auf den ersten Seiten des Manuskripts und ignoriert die eigentliche Botschaft unseres Aufsatzes. Der „Handelsblatt“-Artikel sieht sich nur die Zitate pro publiziertem Fachaufsatz zwischen den Instituten an.
Das erzeugt ganz offensichtlich einen sehr schrägen Blickwinkel. Warum?
Es kommt jetzt offensichtlich gar nicht mehr darauf an, wieviele Mitarbeiter im Institut überhaupt publizieren. Es kommt auch gar nicht mehr auf die Zahl der Publikationen im Institut an. Es reicht, dass nur ein Artikel viele Zitate bekommt. Weitere publizierte Artikel schaden nur.
Die Realität schreibt ein absurdes Beispiel dazu, und man kann es sich leicht erschliessen, wenn man unseren Aufsatz weiter liest. Tatsächlich war kein Publikationsjahrgang 2000 – 2009 so erfolgreich mit Zitaten wie 2000. Dies war das Jahr wo ausser beim ZEW kaum Publikationen in den Instituten zu verzeichen waren. Eine Inspektion, s. unser Aufsatz, zeigte, dass für die Stärke dieses Jahrgangs ganze 3 Artikel verantwortlich waren, darunter ein Aufsatz des Ifo-Präsidenten, ein Aufsatz des DIW-Präsidenten und der Aufsatz eines Mitarbeiters des ZEW, der auch Doktorand des DIW – Präsidenten war.
Hätten Hans-Werner Sinn und ich 2000 allen unseren Mitarbeitern „untersagt“ (unterstellt, wir hätten das tun können, die Macht von Präsidenten wird gelegentlich gewaltig überschätzt), in Fachzeitschriften zu publizieren, dann lägen die beiden Institute in der vom „Handelsblatt“ zitierten Statistik ganz vorne. Das wäre also ein ganz absurder Vorgang, und ein solches Kriterium kann niemals für die Institute angewandt werden.
Tatsächlich haben die Institute in der Praxis verschiedene respektable Wege gewählt.
Der Kern des Auftrages des Wissenschaftsrates und der Leibniz-Gemeinschaft war gewesen, möglich viele (am besten alle) der Wissenschaftler in Forschungsinstituten zum publizieren zu bringen. Dies entspringt der Überzeugung, dass (i) sich Wissenschafter nur nennen kann, wer gelegentlich auch das tut, was Wissenschaftler eben tun, publizieren, (ii) nur wer selbst publiziert, auch wissenschaftlich auf einem guten Stand der Forschung ist, und (iii) gute wissenschaftliche Politikberatung nur auf Basis der Kenntnis des aktuellen Standes der Wissenschaft erfolgen kann.
Mit diesem Ziel hat der im „Handelsblatt“ gewählte Blickwinkel gar nichts zu tun. So würde es reichen, sich in jedem Institut ein paar Topwissenschaftler zu halten, die mit dem Rest des Instituts nichts zu tun hätten. Diese Leute gehören aber besser an eine Universität.
Grosse Institute (ZEW, Ifo, DIW) haben offensichtlich härtere Aufgaben, die Wissenschaftler breit zum publizieren zu bringen. So war es das Ziel des DIW über ein Jahrzehnt, die obengenannte Aufgabe von Wissenschaftsrat und Leibniz-Gemeinschaft anzunehmen. Das DIW hatte folglich die breiteste Verteilung von Publikationen über seine Mitarbeiter, musste aber dann bei der durchschnittlichen Qualität zurückstecken. Das ist ein ganz normaler Vorgang.
Ich danke Herrn Storbeck für die Gelegenheit, auf diese Zusammenhänge nochmals hinweisen zu können: Ohne eine breite Publikationsorientierung der Mitarbeiter verlieren die Institute ihren Anspruch, in der wissenschaftlichen Politikberatung mitreden zu können.